22 Jahre (von 2003 – 2025) stand Helmut Joosten an der Spitze des WTTV. Nun hat er die Führung des drittgrößten deutschen Tischtennis-Verbandes abgegeben. Seit dem 18. Mai 2025 ist Helmut Diegel neuer Präsident des WTTV. Mit diesem Wechsel endet eine Ära, in der Joosten den WTTV auch in schwierigen Zeiten sicher navigierte.
Im folgenden Interview gewährt Helmut Joosten tiefe Einblicke in seine über zwei Jahrzehnte dauernde Amtszeit. Offen spricht er über die oft unterschätzte Komplexität der Verbandsarbeit, seinen ungewöhnlichen Weg ins Spitzenamt sowie die Motivation, die ihn all die Jahre antrieb. Dabei beleuchtet er wegweisende Projekte wie die Einführung von click-TT und die Strukturreform, schildert Herausforderungen des Amtes und persönliche Höhepunkte. Zudem teilt er seine Gedanken zur Zukunft des deutschen Tischtennissports und verrät, auf welche Weise er dem Sport nach seiner Präsidentschaft erhalten bleiben möchte.
WTTV: Hallo Helmut, Du standest 22 Jahre an der Spitze des WTTV. Wenn man die Spielerinnen und Spieler in den Vereinen nach dem Präsidenten fragt, fällt ihnen zumeist allenfalls Dein Name ein. Bedauerst Du das?
Joosten: Das kann durchaus so sein, aber warum und vor allem woher soll jeder wissen, was ich da tagaus, tagein mache? Für mich war es im Laufe der Jahre eine Erkenntnis, dass alle, die neu ins Präsidium kamen, sich an der einen oder anderen Stelle gewundert haben, weil sie die Dinge vorher ganz anders beurteilt haben, als sie sich jetzt plötzlich darstellten – und zwar ausnahmslos, die einen mehr, die anderen weniger. Das gilt umso mehr für alle Verbandsangehörigen. Es ist schon ein bisschen Black Box für Außenstehende.
WTTV: Was hat Dich motiviert, eine so lange Zeit als 1. Vorsitzender bzw. Präsident und auch davor schon als Funktionär im Verein und im WTTV tätig gewesen zu sein?
Joosten: Was hat mich motiviert? So lange Zeiten kann man ja nicht planen. Die Motivation kam mit der Ausübung der Ämter, nicht umgekehrt. Bei den ersten Ämtern, die ich hatte, war es so, dass ich dazu gekommen bin wie die berühmte Jungfrau zum Kind. Mein erstes offizielles Amt, das ich hatte, war 2. Vorsitzender im Verein. Da sagte bei der Mitgliederversammlung einer aus meiner – damals (vor mehr als 50 Jahren) jungen – Generation, ob das nicht ein Jüngerer machen kann? Na gut, ich wurde vorgeschlagen, und wenn man da nicht „nein“ sagt, wird man auch gewählt. Der Einstieg auf Verbandsebene war durch die persönliche Bekanntschaft mit Bruno Dünchheim (langjähriger 1. Vorsitzender des WTTV, Anm. der Redaktion) bestimmt. Bruno hatte ich kennengelernt als Vereinsvertreter. Unsere Vereine hatten damals über meinen Vorgänger als Vorsitzender im Verein die Kontakte.
Dadurch kam es, dass 1980 bei der Westdeutschen Jugendmeisterschaft mein Zögling, mit dem ich viele Jahre zusammengearbeitet habe, und Bruno Dünchheims Zögling, Annette Schömann, heute Schimmelpfennig, im Mixed zusammenspielten. Da saßen Bruno und ich zusammen am Tisch. Unsere beiden haben dann leider in der ersten Runde verloren, sind dann aber im Einzel jeweils Westdeutsche Meister geworden. Das war mein erster Kontakt mit Bruno Dünchheim. Bei späteren Westdeutschen Meisterschaften haben wir im Bergarbeiterheim in Dinslaken in einem Zimmer übernachtet und die ganze Nacht verquatscht. Das müsste 1985, 1986 gewesen sein. Als Bruno dann 1987 Jugendwart des WTTV werden sollte, hat er mich kontaktiert und gefragt, ob ich in den Jugendausschuss kommen möchte.
Ich hatte auch auf Verbandsebene mal an der einen oder anderen Tagung teilgenommen. Ich wusste schon, was sich da tut. Aber ich habe nicht „hier“ gerufen, sondern bin da tatsächlich von Bruno Dünchheim gefragt worden. Das war der Beginn meiner „Laufbahn“ auf Verbandsebene. Nachdem ich mich da eingearbeitet hatte, wurde ich fast zwangsläufig 1991 Brunos Nachfolger als Jugendwart. Das war die Aufgabe, die ich dann auch unheimlich gerne gemacht habe. Es war eine wirklich schöne Zeit – für mich, für meine Familie weniger.
Ich hätte das gerne noch ein bisschen weiter gemacht. Aber im Grunde haben unsere Altvorderen mich 1999 auch ein bisschen gedrängt, zweiter Vorsitzender zu werden. Dann kam die Nachfolge von Bruno im Jahr 2003. Ich wurde 1. Vorsitzender des WTTV.
WTTV: Wie schwer fiel Dir die Entscheidung, an die Spitze des drittgrößten deutschen Tischtennisverbandes zu treten?
Joosten: Ich habe mich mit der Entscheidung 2003 tatsächlich sehr, sehr schwergetan, weil ich nicht wusste, ob ich das von der zeitlichen Kapazität und auch von den persönlichen Kompetenzen wirklich hinkriege. Aber man hat mich tatsächlich auch sehr stark gedrängt. Ich hatte vorher alles Mögliche gemacht, auf Kreis- und Bezirksebene, nahezu alles, was Du Dir vorstellen kannst im Tischtennis. Damals war es noch ein echtes Kriterium, dass sich einer überall auskennt. Das ist heute nicht mehr so. In das Amt des Vorsitzenden bin ich nicht einfach reingerutscht, denn ich habe dann bewusst entschieden, dass ich es mache. Aber ich habe nach einem Jahr festgestellt, dass ich mit Sport (Turnier und Ranglisten), was ich immer gerne gemacht hatte, überhaupt gar nichts mehr zu tun habe. Es ging nur noch um Finanzen und Personal sowie um Politik natürlich. Und daran musste ich mich schon erst gewöhnen. Schließlich kamen natürlich Grundsatzentscheidungen wie bei Click-TT dazu.

Helmut Joosten agierte 22 Jahre an der Spitze des WTTV. (Foto: Sandra Spieler)
WTTV: Hat sich Deine Tätigkeit als 1. Vorsitzender/Präsident des WTTV mit den Jahren geändert?
Joosten: Sehr stark! In meiner Anfangszeit haben wir uns zunächst noch um die damalige Gebietsreform im WTTV gekümmert. Dann hatte ich viel auf Bundesebene mit Satzungsfragen zu tun. Das war mit einer Menge Ärger verbunden. Darüber will ich mich jetzt nicht weiter auslassen. Gleichzeitig stand beim Landessportbund eine große Umgestaltung an. Die Zeit war sehr belastend, und wenn wir nicht in das Qualitätsmanagement-Projekt des LSB gekommen wären, hätte ich 2009 aufgehört.
WTTV: Was waren die Konsequenzen dieses QM-Projekts?
Joosten: Wir haben angefangen, ganz anders zu arbeiten. Da ging es vornehmlich um Verbesserungsprojekte. Das war für mich eine ganz neue Motivation, allein der Begriff Verbesserungsprojekte, jetzt den WTTV zu verbessern, zu entwickeln. Das hat damals richtig Schwung aufgenommen. Die ersten äußeren Zeichen waren, dass wir beispielsweise auf WTTV-Ebene die Gremienstruktur vor allen Dingen in der Spitze geändert haben. Diese ist in einer komplett überarbeiteten Satzung damals bei einem außerordentlichen Verbandstag beschlossen worden. Parallel dazu und in den Folgejahren wurden etliche weitere Projekte aufgelegt. Der WTTV hat nach dem Pilotprojekt als einziger von zehn Verbänden und Bünden, die daran beteiligt waren, die Sache weiterverfolgt. Und das endete dann vorläufig mit dem Großprojekt WTTV 2031. Man kann auch die Strukturreform hinzunehmen, die eine echte Strukturreform war, weil es nicht nur um Gebietsveränderungen ging, sondern eben auch um die inhaltliche Arbeit in den neuen Untergliederungen.
WTTV: Kannst Du da schon eine Einschätzung abgeben, ob sich die Auswirkungen der Strukturreform so entwickelt haben, wie Du Dir das vorgestellt oder gewünscht hast?
Joosten: Wir haben gerade in den Teilbereichen, die ganz neu sind, die wir in dieser Strukturreform auch auf Bezirksebene propagiert haben und auch in der Satzung festgeschrieben sind, noch Probleme. Gerade in dem neuen Bereich sportpolitische Kontakte und auch in der Sportentwicklung haben wir noch Nachholbedarf. Aber das ist jetzt keine Kritik, sondern man muss einfach sagen, dass das Ganze ja erst zwei Jahre gilt. Und da kann man wahrscheinlich auch nicht erwarten, dass das so ohne weiteres überall alles funktioniert. Gut ist, dass mehrheitlich die Überzeugung herrscht, dass es der richtige Weg ist. Aber bald müsste es überall losgehen, denn sonst geht es total unter.
WTTV: Was waren neben der Gebiets-/Strukturreform weitere Meilensteine Deiner Zeit als Präsident?
Joosten: Natürlich war das am Anfang die Einführung von click-TT, die natürlich schon sehr ambitioniert war. Ich war davon überzeugt, dass das kommen muss. Und wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann bin ich auch bereit, dafür zu kämpfen. Insofern hängt die Ambition mit der Motivation zusammen.
WTTV: Wer war denn der Initiator für click-TT oder wer hat die Idee gehabt, da wirklich etwas zu machen?
Joosten: Bei click-TT waren zwei andere Verbände etwas früher dran als wir. Die hatten also schon mit der Arbeit angefangen. Wir hatten eine Vorstandssitzung – bei mir im Wohnzimmer – und dort hat Jochen Lang (früher Geschäftsführer des WTTV, heute Geschäftsführer von MyTischtennis) uns einen Vortrag zu dem System gehalten. Ich habe dann zu Seppl Kück, der damals Ehrenvorsitzender war, gesagt: „Seppl, das müssen wir doch machen!“ Und er meinte nur: „Selbstverständlich!“ Das war sowas wie der Segen für mich. Die Sitzung war im Oktober 2004. Beim nächsten Verbandstag haben wir dann schon den Beschluss über die Einführung von click-TT gefasst.
WTTV: Und dann habt Ihr das als WTTV in Auftrag gegeben?
Joosten: Ja, allerdings gemeinsam mit den anderen Verbänden, die ja schon auf dem Weg waren. Wir mussten das nur in Anführungszeichen in Auftrag geben. Werner Almesberger und Michael Keil sind durch die Lande getourt und haben das System vorgestellt. Und dann ist – wie gesagt – beim nächsten Verbandstag die Einführung für 2016 beschlossen worden. Da ist natürlich viel über Geld geredet worden, aber es ging nicht um eine Beitragserhöhung, sondern um eine Umlage für zwei Jahre. Keiner wollte so richtig wahrhaben, dass das am Ende kein Geld kostet, weil man die ersparten Kosten insbesondere für Porto gegenrechnen muss. Die Vereine waren nach der Amortisierung sehr schnell im Gewinnbereich. Für meinen Verein, der viele Mannschaften hatte, war das vom ersten Moment an ein Nullsummenspiel.
WTTV: In welcher Form war der WTTV an der neu eingeführten Turnierlizenz beteiligt?
Joosten: Die haben wir hingenommen. Inhaltlich waren wir daran nicht unmittelbar beteiligt. Ich habe allerdings gehofft, dass man es durch die mit der Turnierlizenz erzielten Einnahmen länger schaffen kann, eine Beitragserhöhung auf DTTB-Ebene zu verhindern. Aber das funktioniert nicht, weil viele Dinge einfach noch nicht da sind, die das alles attraktiver machen, Stichwort „Turnierwelt“. Und deshalb bringt die Turnierlizenz nicht das ein, was man sich erhofft hat. Die für die Spieler entstehenden Kosten sind ja nicht so hoch. Die Leute beschweren sich eigentlich auch nicht über die Kosten, sondern über das Verfahren und den damit verbundenen Aufwand.
WTTV: Gab es in den 22 Jahren Deiner Tätigkeit Momente für Dich, die Dir besonders wichtig waren?
Joosten: Ja, sicher! Das erste Highlight für mich war 2006. Da haben wir hier bei mir in Rees im Bürgerhaus das 75-jährige WTTV-Jubiläum gefeiert. Das habe ich mit Show-Acts organisiert, mit Leuten, die alle hier zu meinem persönlichen Bekanntenkreis gehören, sodass das auch sehr kostengünstig war. Dann sind wir 2015 im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagements-Projekt in Berlin mit dem Ludwig-Erhard-Preis mit 5 Sternen ausgezeichnet worden. Das war schon ein toller Moment. Und dann war es 2021 der Grundsatzbeschluss zur Strukturreform. Es war überhaupt nicht selbstverständlich, dass das geklappt hat. Da ein Ergebnis von 72 bis 73% zu erreichen, das war schon eine relativ hohe Hausnummer. Am Ende bin ich bei diesem Verbandstag ohne Gegenstimme und Enthaltung wiedergewählt worden. Das heißt also, die Leute haben mir diese ganze Sache nicht übel genommen, was mich damals schon ziemlich bewegt hat. Für mich persönlich war es ein echtes Highlight. Dass bei meiner Verabschiedung mehrfach Begriffe wie Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Offenheit, Entschlossenheit, Innovation mit mir in Zusammenhang gebracht wurden, hat mich sehr gefreut und auch bewegt. Gleiches gilt für die Tatsache, dass viele frühere Weggefährten und die meisten Delegierten des Verbandstages anwesend waren und zu dem wunderbaren Abschied beigetragen haben. Erwin Daniel hat da eine ganz tolle Veranstaltung organisiert.
WTTV: Hast Du persönliche schönste Begegnungen gehabt? Hast du Menschen getroffen, die Dich besonders beeindruckt haben?
Joosten: Damit fing eigentlich meine Amtszeit an. Parallel zur Gebietsreform und zur Einführung von click-TT war ich auf DTTB-Ebene in einer Arbeitsgruppe, die mir zwar viel Ärger eingebracht hat, aber in dieser Zeit habe ich Freundschaften mit den Präsidenten einiger anderer großer Verbände geschlossen. Von denen kannte ich vorher nur einen aus dem Jugendbereich, die anderen praktisch überhaupt nicht. Da sind echte Freundschaften gewachsen. Es war für mich immer wirklich eine echte Motivation, mich mit den Freunden auszutauschen. Und ansonsten habe ich mich immer gefreut, wenn ich Leute getroffen habe, mit denen ich früher im Jugendbereich zu tun hatte. Da konnte man auch über die, wie man so schön sagt, „guten alten Zeiten“ sprechen.
WTTV: Gibt es Entscheidungen, die Du heute anders treffen würdest als früher?
Joosten: Es mag sein, dass ich hier und da das eine oder andere um eine Nuance vielleicht anders machen würde. Aber das ist doch ganz normal, dass man zu Anfang, wenn man irgendwas in Angriff nimmt, die Sache vielleicht nicht 100%ig auf den Punkt bringt. Im Grundsatz würde ich die Frage deshalb verneinen. Die wichtigen Entscheidungen würde ich heute genauso treffen – mit einer einzigen Ausnahme, die aber bei mir bleibt.
WTTV: Lass uns einen Blick über den WTTV-Tellerrand hinauswerfen. Kannst Du ein paar Sätze dazu sagen, wie Du die Perspektiven für den Tischtennissport in Deutschland siehst? Also Stichworte wie Mitgliederschwund, schlechte sportliche Perspektiven im Erwachsenenbereich in der „Nach-Boll-Ära“.
Joosten: Ich verspreche mir viel vom neuen hauptamtlichen Vorstand des DTTB. Ich traue gerade dem Vorstandsvorsitzenden wirklich zu, dass er für die Entwicklung einiges tun kann und auch tun wird. Da bin ich durchaus optimistisch.
Was die sportliche Seite angeht, muss man einfach abwarten. Bei den Herren hat Timo Boll schon außergewöhnlich lange auf höchstem Niveau gespielt. Das lässt sich kaum wiederholen. Aber auch Ovtcharov geht auf die 40 zu. Selbst Franziska ist schon 33 und auch Duda hat die 30 überschritten. Da tut sich in nächster Zeit schon eine Lücke auf. Und bis jemand – wie vielleicht André Bertelsmeier – diese Lücke schließen kann, wird es noch eine Zeit dauern. Denn gerade bei den Herren dauert es in der Regel etwas länger, bis ein Jugendspieler bei den Erwachsenen Fuß gefasst hat. Da war Timo Boll eine absolute Ausnahme. Ihm Ist der Übergang nahtlos gelungen. Das ist nicht mal Leuten wie Torben Wosik oder Christian Süß gelungen, obwohl sie in ihrer Jugendzeit fast alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gab. Die Situation ist wegen der Stärke der Asiaten, aber auch anderer Europäer, wirklich sehr schwierig. Bei den Damen ist das vielleicht ein klein wenig anders. Vor allen Dingen haben wir jetzt mit Annett Kaufmann jemanden, bei der man ziemlich sicher sein kann, dass sie in die absolute Weltspitze vorstoßen wird. Davon bin ich fest überzeugt. Allerdings haben wir auch bei den Damen ein Altersproblem. Unsere derzeitigen Spitzenspielerinnen gehen auf die 40 zu oder haben diese Grenze schon überschritten. Jüngere reichen noch bei weitem nicht an Annett Kaufmann heran. Also was das Sportliche angeht, muss sich noch einiges tun, um an die Erfolge der vergangenen Jahre anzuknüpfen.
Unser WTTV-Aushängeschild ist bei der Jugend gerade Eireen Kalaitzidou. Ich bin mal gespannt, wie sie sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird.

Eireen Kalaitzidou (Foto: Jörg Fuhrmann)
Was die Mitgliederzahlen angeht, ist es in den letzten Jahren wieder aufwärts gegangen. Das merkt man auch an den Mannschaftszahlen. Gott sei Dank! Ich hoffe, dass sich das zumindest einigermaßen stabilisiert. Einige Zeit hatten wir wirklich größere Verluste. Aber es hängt natürlich auch viel am Engagement in den Vereinen. Ich stelle immer wieder fest, dass da, wo aktive Leute sind, die Hallen auch voll sind. Es ist nicht so, als wenn Tischtennis nicht ziehen würde. Aber gerade dabei brauchen wir auch die Kooperation zwischen Verband und den neuen Strukturen der Bezirke – und zwar nicht zum Selbstzweck, sondern für die Vereine.
WTTV: Liegt es vielleicht auch daran, dass in Deutschland nicht genug Geld zur Verfügung steht? Wenn man im Vergleich den enormen finanziellen Aufwand in China oder Japan sieht. Die Geschwister Harimoto werden von einem riesigen Team betreut. Von einem solchen Etat können deutsche Tischtennisspielerinnen und -spieler nur träumen.
Joosten: Mit Japan darf man sich absolut nicht vergleichen. Da gelten Bedingungen, die bei uns so ohne weiteres nicht durchsetzbar wären. Das würde bedeuten, dass man, sobald man erkannt hat, dass einer den Schläger etwas besser festhalten kann, ihn nach Düsseldorf ins Leistungszentrum holt. Egal, wie alt die Spielerin oder der Spieler ist. Das wäre in Japan kein Problem, in China genauso. Die würden sagen, entweder du gehst da hin oder wir vergessen dich. Ob das in Frankreich so brutal gemacht wird, weiß ich nicht. Aber das ist der große Unterschied. Bei Japan kommt dazu, dass dort wirklich sehr viel Geld in den Tischtennissport gesteckt wird. In China ist es fast so etwas wie Staatsräson.
WTTV: Siehst Du überhaupt eine Chance fürs Tischtennis, sich neben Fußball, Fußball, Fußball und der einen oder anderen telegenen Sportart zu behaupten? Oder muss man einfach in Kauf nehmen, dass Tischtennis nur eine kleine Randsportart ist?
Joosten: Das ist extrem schwierig. Einige Sportarten, unter anderem Tischtennis, sind ja jetzt bei Dyn zu Hause. Aber das ist eben ein Streamingdienst, den musst du dann auch erst mal bezahlen. Und es ist schon eine Krux, dass viele Tischtennisspielerinnen und -spieler nicht mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hingucken würden, wenn denn etwas übertragen würde. Da machen die Leute lieber was anderes. Ausnahmen sind allenfalls Highlights wie beispielsweise Olympia. Aber auch dann werden Spiele häufig nur live übertragen, wenn irgendeine andere – scheinbar attraktivere – Sportart gerade ausfällt. Und Du hast gesagt: telegen. Riesenballwechsel, wenn die dann mehrfach wiederholt werden, erfreuen die Leute. Das kann man sehen. Ansonsten sind ja viele, die jetzt mit Tischtennis usw. nichts zu tun haben, nur schwer in der Lage, zu beurteilen, was da am Tisch passiert, beispielsweise bei Aufschlägen. Beim Tennis sind die Leute begeistert, wenn jemand ein Ass schlägt. Aber beim Tischtennis meckern sie, weil der Gegner den Ball nicht gekriegt hat. Da geht es dann nicht um den kunstvollen Aufschlag, der direkt einen Punkt gebracht hat.
WTTV: Lass uns zum Schluss noch über Deine Nach-Präsidentenzeit sprechen. Wie willst Du dem Tischtennissport erhalten bleiben? Du hast von deinem Vorvorgänger Kück erzählt, dass der Dich noch geraume Zeit beraten hat. Wirst auch Du dem WTTV Deinen Rat weiter zur Verfügung stellen?
Joosten: Ich habe aus gutem Grund vor zwei Jahren selbst den Antrag gestellt, dass der Ehrenpräsident keinen Platz mehr im Präsidium haben soll. Es würde mir selbst total gegen den Strich gehen, immer dabei zu sein und möglicherweise einzugreifen. Und die Devise, Du kennst ja den Spruch „Das haben wir früher immer so gemacht“, will ich einfach nicht. Aber wenn man mich fragt und mein Rat gebraucht wird, werde ich ihn nach bestem Wissen und Gewissen geben. Das ist eine Selbstverständlichkeit, das haben wir auch so vereinbart. Aber ich habe auf keinen Fall vor, mich immer und überall einzumischen.

Helmut Joosten übergibt auf dem Verbandstag 2025 das Amt des Präsidenten an Helmut Diegel. (Foto: Jörg Fuhrmann)
WTTV: Du hast sicherlich noch eine Vielzahl von Kontakten, die der neue Präsident nicht haben wird. Gerade persönliche Kontakte öffnen häufig Türen, die sonst verschlossen bleiben.
Joosten: Die Kontakte zu den Präsidenten der anderen (großen) Verbände sind bereits hergestellt. Auf der Sachebene findet man schnell zueinander. Ob sich daraus sehr nützliche Freundschaften entwickeln, wie es bei mir gewesen ist, muss die Zeit zeigen. Das lässt sich nicht erzwingen. Und auf Landesebene hat mein Nachfolger ohnehin viele Kontakte. Er war schließlich in der Politik tätig.
WTTV: Wirst Du denn jetzt wieder anfangen, Tischtennis zu spielen? Du hast schließlich bei Deiner Verabschiedung einen neuen Schläger geschenkt bekommen.
Joosten: Die Frage kann ich im Grundsatz mit „ja“ beantworten. Ich weiß nur noch nicht, wie ich das mache, im Moment läuft die Tennis-Saison noch. In meinem Verein ist samstagsvormittags eine Hobbygruppe tätig, das wäre mal ein Anfang. Außerdem habe ich in den letzten zwei Jahren mit anderen Schlägern mal den einen oder anderen Schlag gemacht. Das hatte noch nicht so viel zu bedeuten. Aber ich glaube, ich werde den Schläger schon ausprobieren.
WTTV: Wie ist es überhaupt dazu gekommen dazu gekommen, dass Du den vergangenen Jahren Tennis gespielt hast und gar nicht mehr Tischtennis?
Joosten: Als ich 2003 den Vorsitz übernommen habe, war mir klar, dass viel Arbeit auf mich zukommen würde. Regelmäßig Tischtennis zu spielen und am Meisterschaftsbetrieb teilzunehmen, war nicht mehr möglich. Und ich wollte mich um meinen noch nicht einmal 10-jährigen Sohn kümmern, der damals Tennis gespielt hat. Dessen Mannschaft habe ich zehn Jahr lang begleitet. Es war mit zeitlich nicht möglich, auch noch selber Tischtennis zu spielen. Berufstätig war ich schließlich auch noch.
WTTV: Lieber Helmut, ich danke Dir für das Interview und wünsche Dir für die kommenden Jahre alles Gute!