Falk Linnepe hat den Vorsitz des Ausschusses für Traineraus- und Fortbildung übernommen. Sandra Spieler führte mit ihm ein Interview über seine Ideen und Visionen.
Falk, du hast vor kurzem im WTTV den Vorsitz des Ausschusses für Traineraus- und fortbildung übernommen. Wie sieht denn eigentlich dein Werdegang im Tischtennis aus? Wann und wie hast du mit der Sportart angefangen?
Ich bin gebürtiger Altenaer und in dem kleinen Dorf gibt es eigentlich die Regelung, entweder man wird Handballer, Fußballer oder Tischtennisspieler. Ich hatte das große Glück, dass ich Wilfried Lieck und Berni Vossebein, den wir in letzter Zeit ja alle nochmal in Gedanken haben, getroffen habe und so entschied ich mich mit vier Jahren für Tischtennis. Ich war sechs Jahre dort das große Talent, was dann aber doch nicht gezündet hat (lach). Ich lernte dort Spieler wie Christian Süß kennen, der im Jahr 2000 auch für den TTC Altena gespielt hat und erhielt dadurch irgendwie den Bezug zum Spitzensport, obwohl ich selbst ja überhaupt kein Spitzensportler gewesen bin. Ich wechselte dann den Verein, spielte in Lüdenscheid, Letmathe und auch in Herne auf Landesliga- und Verbandsliganiveau.
Irgendwann hast du dann für dich den Trainerjobs entdeckt. Wann war das und wie hat deine Laufbahn als Trainer angefangen?
Zu meiner aktive Zeit in Herne, wo damals der Landesleistungsstützpunkt des WTTV stattfand, ist der Kontakt zu Verbandstrainer Stephan Schulte-Kellinghaus und auch dem heutigen Referenten für Traineraus- und fortbildung, Jens Stötzel, entstanden. Ab dem Zeitpunkt wurde mir relativ schnell bewusst, dass ich großen Spaß daran habe, Kindertraining zu geben.
Ruhrstadt Herne hatte zu dieser Zeit neben den Jugendmannschaften auch zwei Profimannschaften in der 2. Bundesliga und der Oberliga. Diese Spieler haben auch in der dortigen Halle trainiert, so dass ich die damaligen Herner-Spielern Robin Malessa, Davis Daus und Erik Bottroff kennengelernt habe und gesehen habe, was Profitraining ausmacht. Außerdem hat jeweils vor meinem Vereinstraining das WTTV-Stützpunkttraining stattgefunden, wodurch ich sehr vieles mitbekommen und dort auch immer die Unterstützung der Verbandstrainer erhalten habe. Das war für mich die intensivste Zeit, so ca. von 2009 bis 2013.
Dann hat mich Stephan Schulte-Kellinghaus zur andro Tischtennis-Schule in Düsseldorf vermittelt, wodurch sich für mich dann irgendwie beide WTTV-Stützpunkte, der in Herne und der in Düsseldorf, verschmolzen haben. In Düsseldorf habe ich dann die WTTV-Trainer Dirk Huber und Johannes Dimmig, aber auch den damaligen DTTB-Internatstrainer Jörg Bitzigeio getroffen. So dürfte ich die unterschiedlichen Trainingsarten und -weisen kennenlernen und ich habe versucht, für mich über die Jahre einen eigenen Stil zu finden.
Ich bekam dann die Chance bei Borussia Düsseldorf das Jugendtraining zu leiten. Dort waren sehr viele Kinder aus unterschiedlichen Alters- und Niveaustufen beim Training. Durch meine Tätigkeit bin ich mit der Zeit viel mehr Trainer als Spieler geworden. Ich selbst spiele ja seit 2009/2010 nicht mehr aktiv. Mir macht viel mehr Freude Tischtennisspielern zu zusehen und ihnen bei ihrer Entwicklung zu helfen.
Falk, du hast als Trainer wie beschrieben in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, im Jugendbereich (verschiedene Alters- und Spielstärken) sowie im Erwachsenenbereich (z.B. 2. Damen-Bundesliga beim TuS Uentrop). Wie schafft man es als Trainer sich auf die jeweiligen Bedürfnisse der Athleten einzustellen?
Das Entscheidende ist, und das ist vielleicht der beste Tipp, den ich geben kann, seinen Horizont zu erweitern. Dies habe ich vor allem gemerkt als es in der Trainer-Ausbildung um Hospitationen ging. Hier war ich interdisziplinär beim Fechten unterwegs. Hier habe ich vor allem gemerkt, dass man alleine durch das Beobachten sehr viel mitnehmen und lernen kann.
Ich glaube, dass ein Kindertraining in der Vereinsarbeit das Eine ist, aber z.B. einem Erwachsenen Vereinskollegen was zu erklären wieder das Andere. Ich habe für mich am meisten gelernt, in der Tischtennisschule vor Erwachsenen aktiv zu sein, denn dort waren die Bewegungsabläufe schon so festgefahren, dass man, um was zu verändern, sehr viel arbeiten und erklären musste. Und das tolle an der Arbeit mit Erwachsenen ist ja, dass ich sehr viele Rückmeldungen bekommen habe, welche Erklärung, welche Übungsaufgabe oder welcher Hinweis geholfen hat. Und hier kann ich sagen, dass ich von diesen Impulsen sehr viel gelernt habe, wie ich auch mein Kindertraining anders gestalten kann.
Genauso habe ich wiederum von den Damen in Uentrop extrem viel vom Leistungssport gelernt, besonders im Bereich des spieltaktischen Verständnisses und des Coachings konnte ich mich so weiterentwickeln.
Also, das Schaffen kommt für mich über das Erleben und das Offensein für die jeweilige Lerngruppe. Man muss Berührungspunkte ablegen, wovor man eventuell Angst hat. Ich glaube, dass man immer mit den Athleten, unabhängig von der Spielstärke, ins Gespräch kommen muss und dann wird man für sich feststellen, was gerne angenommen wird.
Was möchtest du als Trainer deinen Athleten vermitteln?
Das ist eine spannende Frage. Ich habe dies in meiner Trainerlaufbahn sehr unterschiedlich betrachtet. Als junger Trainer wollte ich Anerkennung haben, ich wollte, dass man erkennt, dass meine Kinder eine saubere Technik, was auch immer das bedeutet (lach), ein taktisches Grundverständnis und vielleicht schon eine Vorstellung von eigenen Stärken und Schwächen haben. Aber ich glaube mit der Zeit und auch durch meine pädagogische Ausbildung sind dann viel mehr Softskills in den Vordergrund gekommen, wie zum Beispiel verlieren lernen oder Zuverlässigkeit. Dies wird mittlerweile häufig als Selbstverständlich angesehen. Ich glaube, dass man dieses auch heute noch thematisieren sollte und vielleicht sogar auch muss.
Was mir aber am Wichtigsten ist. Ich hebe immer gerne die Verbindung vom Athleten zum Tischtennis heraus. Die entscheidende Frage ist: „Du spielst Tischtennis weil…“. Kann der Athlet hierauf eine individuelle Antwort finden, dann kann ich ihn als Trainer besser unterstützen. Diese Frage sollte man immer wieder stellen, denn dann kann man als Trainer nach den individuellen Schwerpunkten sein Training ausrichten und ist auch immer sehr nah an den Bedürfnissen des Athleten dran.
Du hast schon sehr viele Trainerausbildungen unterschiedlicher Lizenzstufen geleitet. Was möchtest du in deinen Ausbildungen jungen Leuten mitgeben, die Tischtennistrainer werden möchten?
Meine ganz große Baustelle an dieser Stelle ist, ich glaube, dass wir sehr inputorientiert sind, das heißt, dass wir den Auszubildenden sehr schnell als Trainer sehen und diesem dann das passende Rüstzeug geben. Zum Beispiel: Du möchtest einen Vorhandtopspin beibringen, also müsstest du eine methodische Reihe entwickeln.
Für mich persönlich steht vor allem in den jungen Jahren der Trainerfindung, dass man z.B. lernt mit unterschiedlichen Individuen in einer Gruppe differenziert sprechen zu können, respektvoll zu sein oder dass man Menschen motivieren kann. Das sind Stärken, die man immer ganz schnell als Ausbilder voraussetzt. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass man verdeutlicht, du schaffst es, dass 10-15 Kinder wöchentlich bei dir erscheinen. Das ist nicht Selbstverständlich und das ist Deine Leistung, weil Du eine gute Persönlichkeit bist, weil Du unterhaltsam bist, weil Du auf die Kinder eingehst, das sind Deine Stärken als Trainer. Ich glaube, dass wir herausheben müssen, dass es etwas Besonderes ist, Trainer zu werden und das Trainer werden Anerkennung und aber auch Entwicklung für seine Persönlichkeit bedeutet.
Im weiteren Verlauf der Trainerausbildung sind natürlich die (Grund-)-Kenntnisse über Tischtennis sehr gewinnbringend. Und hier müssen wir noch weiter daran arbeiten, unterschiedlichen Lerntypen zu vermitteln, wie man Tischtennis beibringen kann. Darin haben wir noch viel Luft nach oben. Sei es über Videomaterial oder Broschüren, wir müssen auch berücksichtigen, dass es sehr unterschiedliche Trainingsgruppen gibt, wie Schulgruppen oder Vereinsgruppen, die auch Leistungssport betreiben möchten.
Wenn der Trainer dann eine fundierte spezifische Ausbildung hat, dann müssen wir aber noch verstärkt auf der didaktischen Ebene ausbilden, also, wie erkläre ich etwas. Meine persönliche Haltung ist, wenn ich didaktisiert Training geben kann, dann kann ich auch besser die Grundlagen vermitteln.
Nun hast du ja in diesen schweren Coronazeiten den Vorsitz des Ausschusses übernommen. Präsenzveranstaltungen sind kaum möglich. Welche digitalen Möglichkeiten sind in der Ausbildung vorgesehen?
Hier müssen wir erst einmal die Zielstellung formulieren. Wenn wir konkret über Lerninhalte sprechen, dann sind wir natürlich bei Lernmanagement-Systemen, die Inhalte bereitstellen, aber auch eine Kommentier-Funktion besitzen, so dass Kommunikation untereinander betrieben werden kann und damit der Austausch über eine gemeinsame Sache, z.B. Videos möglich ist. Dieses wollen wir anbieten und auch inhaltlich multiprofessionell bestücken, so dass die User ein großes Portfolio haben von unterschiedlichen Interessensbereichen um verschiedene Impulse zu bekommen. Denn dann kann jeder auf seinem eigenen Niveau das auswählen, was ihn interessiert und ihn in seiner täglichen Arbeit unterstützen kann.
Aber das, was meiner Meinung nach im Moment viel wichtiger ist, digitale Lehre sollte vor allem den Kontakt fördert und initiieren. Das Entscheidende ist, wir dürfen die Leute jetzt nicht verlieren. Wir müssten eigentlich einen „digitalen Tisch“, bzw. wir müssten eigentlich ein „digitales Tischtennisspiel“ entwickeln, damit die Leute nicht vergessen, was Tischtennis bedeutet. Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen und nur auf die digitale Welt schauen, denn das Ziel sollte es ja sein, dass wir als Menschen und als Trainingsgruppe wieder zusammen Tischtennis spielen.
Deswegen sollten wir den Kontakt, die gemeinsame Leidenschaft zum Tischtennis durch unterschiedliche Foren, durch Kommunikation, durch Challenges aufrecht erhalten, damit wir vielleicht eine Chance haben, den Mitgliederschwund, der ja leider zu verzeichnen ist, irgendwie aufhalten zu können.
Gleichzeitig sollten wir aber auch sehen, dass in der Zeit der Pandemie sehr viele Outdoor-Tische gekauft wurden, so dass wir dieses als Signal nehmen sollten, dass unser Sport Beachtung findet und auch ein moderner Sport in diesen Zeiten sein kann und ist.
Zusammenfassend mochte ich sagen, in digitaler Bildung sehe ich die Chance viele Angebote zu erstellen, zu kanalisieren und dies aus unterschiedlichen Professionen heraus. Aus diesen kann dann ein Moderator bzw. Kursleiter wählen oder zuleiten um dadurch ein differenziertes und individuellen Angebot zu schaffen, anstatt, dass es nur von oben herab von einem erfahrenen Trainer Puzzlestückchen für die Auszubildenen gibt. Jeder hat selbst für sich eine Verantwortung und dadurch dann auch die Möglichkeit, sich seine individuellen Inhalte zu besorgen.
Und das Zweite ist, digitale Lehre sollte als Bewahrung von Leidenschaft, von Kommunikation und als Erinnerung an die schöne Zeit, als wir gemeinsam gespielt haben, dienen.
Welche dieser Möglichkeiten sind aus deiner Sicht auch nach der Corona-Pandemie sinnvoll und sollten beibehalten werden?
Ich glaube, dass das hybride Lernen, also Präsenz- und Online-Phasen im Wechsel, nun viel mehr an Bedeutung und auch Verständnis gewonnen hat. Die Menschen werden nun auch vermutlich viel mehr Endgeräte besitzen. Außerdem glaube ich, dass das Verständnis darüber gewachsen ist, welchen Mehrwert auch ein Webseminar hat, welches der DTTB bereits mit den Teilnehmerzahlen erfahren hat. Auch der WTTV wird ja ab Februar mit den WTTV-Sprechstunden die Möglichkeit anbieten, sich über unterschiedliche Themenkomplexe digital auszutauschen. Ich hoffe ebenfalls, dass in dieser Zeit mehr digitale Mannschaftsgruppen, z.B. über WhatsApp gebildet wurden und das dort auch mehr kommuniziert wurde.
Vereinstrainer haben ja auch begonnen, sich Übungsformen zu überlegen, die Zuhause sinnvoll sind. Wenn man dieses beibehält und als gemeinsame Trainingsmöglichkeit sieht, sind das neue Wege, die ich als förderlich ansehe, vor allem, weil die Kinder ja auch im digitalen bzw. sozialen Netzwerk erreichbar sind.
Digitale Kommunikation bedeutet für den Verein ja auch, dass er darstellt, was er bietet. Das sind alles Skills, die auch in Zukunft sinnvoll sind. Warum soll eine Trainingsgestaltung über digitale Plattformen nicht sinnvoll sein? Ein Trainer kann so mit den Kindern im Vorfeld Inhalte besprechen und zeitlich steuern, so dass es bei den Kindern, die mit neuen Trainingsinhalte in der Halle konfrontiert werden nicht zu einer Überforderung kommt. Das sehe ich als große Chance, obwohl wir als Sportart natürlich immer den Focus in der Halle und in der Kooperation der Menschen miteinander sehen müssen.
Als letztes glaube ich, dass das Interdisziplinäre ein großes Thema werden sollte. Viele Rückschlagsportarten sollten sich vernetzen. Diese Vernetzung ist über die Möglichkeiten der digitalen Tools viel besser und intensiver möglich.
Wenn du in die Zukunft schaust. Wie stellst du dir die Trainer-Ausbildung in 5 oder 10 Jahren vor?
Auf der einen Seite breiter aufgestellt, am liebsten mit einem digitalen Briefkasten. Ich stelle es mir so vor, dass wir uns wie ein Regenschirm über den gesamten WTTV ausbreiten sollten, das wir vielleicht über digitale Angebot direkt in die Szene kommen, soll heißen, dass hoffentlich irgendwann der Netzausbau so weit ist, dass man vielleicht über eine Videokonferenz direkt in der Halle gesehen werden kann.
Wir sollten aufbauende Videoreihen haben, die mit leben und kontinuierlich gestaltet werden, also, dass man eine wachsende Bibliothek hat, zu der man den Menschen Zugang gewährt, so dass vor allem auch die Kommunikation vor und nach der Ausbildung digital gestützt wird.
Meine persönliche Haltung ist, das habe ich in den vorherigen Antworten ja bereits angedeutet, das die Frage „Wie erkläre ich etwas?“ noch mehr in den Vordergrund kommt. Zudem sollte die Frage beachtet werden, welche persönlichen Bereicherungen ich bekomme, wenn ich Trainer sein möchte, mit der Hoffnung, so die Motivation und die Nachhaltigkeit für den Job zu fördern, dass die Trainer nicht frühzeitig wieder aufhören.
Meiner Meinung nach müssen wir auch viel mehr mit anderen Vereinen vor Ort zusammen arbeiten. Warum nicht auf den Fußballtrainer zugehen und ihm verdeutlichen, dass wir Tischtennistrainer im Bereich der Koordination viel zu bieten haben und dann auch dort mal eine Einheit durchführen, um so die Chance zu haben, viel mehr Kinder zu erreichen.
Meine Vision ist, dass wir irgendwann auf der Ebene des Breitensports nicht mehr nur reine Tischtennisvereine haben, sondern eventuell Rückschlagvereine. Ich glaube, dass man Kinder in der Zukunft nicht dafür gewinnen kann, wenn man 20 Jahre den Tisch aufbaut und nur Tischtennis spielt. Natürlich wird es diese Kinder auch immer geben und das ist auch gut so und diese werden ihren Platz in unseren Vereinen haben. Ich glaube, dass man Kinder im Breitensport über die Abwechslung begeistern kann, indem man dann eventuell 2 Monate Tischtennis, 2 Monate Badminton spielt und in der schönen Jahreszeit dann vielleicht auch mal zwei Monate draußen etwas machen kann, so dass man die Kinder nicht in den Sommermonaten verliert. Da sollten wir keine Angst vor haben, so nach dem Motto, wir sind dann kein Tischtennisverein mehr, sondern vielleicht den Gedanken zulassen, wenn man Kinder als Trainer begleitet, dass dann die Sportart nicht mehr die größte Überschneidung sein muss, sondern der Wunsch sich zu bewegen und eine gute Zeit zu haben ohne hier natürlich das Opfer Tischtennis zu bringen. Vielleicht ist dieser Ansatz mal einen Gedanken wert!
Falk, vielen Dank für das ausführliche Interview und den ehrlichen Einblick in deine Gedanken. Ich wünsche Dir für deine Arbeit im Ausschuss viel Erfolg und Freude!