Die gebürtige Niedersächsin Anne Sewöster wechselte in der Saison 2018/2019 von der 2. Damen-Bundesliga in die Herren-Verbandsliga zum TuS Bardüttingdorf und feierte im WTTV einige Erfolge. Bei ihren ersten Westdeutschen Einzelmeisterschaften holte sie 2019 in Ochtrup direkt den Titel in Waltrop wurde sie 2020 zweite. Mit ihrem Team stieg sie nun in die NRW-Liga auf, was aber aus ihrer Sicht einen bitteren Nachgeschmack hat. Warum Freude und Leid manchmal so nah beieinander liegen, erzählt die 32-Jährige Sandra Spieler in einem ausführlichen Interview.

Anne, du bist Polizeibeamtin. Wie sieht dein Alltag in Zeiten der Corona-Pandemie aus?
(schmunzelt) In erster Linie bin ich zunächst einmal froh, dass ich von den wirtschaftlichen Folgen der Corona Pandemie nicht betroffen bin. Bei der Polizei gibt es sowas wie Kurzarbeit oder ähnliches Gott sei Dank nicht, auch wenn ich nach dem ein oder anderem Dienst auch froh wäre, über einen

Anne Sewöster ist als Polizeikomissarin tätig.

längeren Zeitraum keine Menschen um mich herum sehen zu müssen.
Nichtsdestotrotz bin ich von der Gesellschaft und unseren Mitmenschen positiv überrascht. Meiner Meinung nach wird in die Grundrechte des Menschen schon sehr stark eingegriffen und die Freiheit ist immens eingeschränkt.
Aber ich glaube Deutschland ist auf einem guten Weg schnellstmöglich wieder zur Normalität zu finden und das ist das Ergebnis der diversen Einschränkungen, die durch den Bürger vorbildlich eingehalten werden.
Auf der Dienststelle selbst merken wir die Auswirkungen der Corona Pandemie mal mehr und mal weniger. Wir arbeiten in einem gesonderten Schichtmodell, die Stärke der Beamten wurde auf das Minimum reduziert, die Einsätze allerdings nicht (lacht).
Ich absolviere den täglichen Dienst hauptsächlich mit dem gleichen Kollegen, sodass so wenig Kontakt wie möglich zu anderen Kollegen entsteht. Für mich persönlich war es anfangs eine Umstellung, aber so langsam wird es zur Normalität. Nach sechs aufeinanderfolgenden Diensten folgt ein dienstfrei von zwei bis drei Tagen, bevor der alltägliche Wahnsinn wieder von vorne beginnt.

Spielst du auch am Küchentisch oder im Keller oder geht es dir wie vielen anderen und du wartest sehnsüchtig auf die Öffnung der Hallen?
Ich habe mir tatsächlich aus Krefeld von Tamasu Butterfly einen Tischtennistisch zukommen lassen. Das ist nicht selbstverständlich und auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank an Tamasu Butterfly für die Kooperation.
Ich muss gestehen, zu Anfang habe ich die Pandemie nicht sehr ernst genommen. Ich habe zwar die Nachrichten verfolgt, aber der Gedanke an einen Abbruch der Saison oder geschlossene Turnhallen kam mir nie in den Sinn. Umso erschrockener war ich, als der Anruf von unserem Mannschaftsführer kam und mir mitgeteilt wurde, dass die Punktspiele bis auf Weiteres abgesagt wurden. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass sich unsere Mannschaft trotzdem noch an dem Abend auf ein gemeinsames Training in der Halle getroffen hat. Aber zu dem Zeitpunkt habe ich mir das allererste Mal Gedanken gemacht, wie es wohl weiter gehen wird. Es war schon ein mulmiges Gefühl.
Nach und nach kamen dann die nächsten Sorgen und Gedanken, weil auch einfach niemand wusste, wie es weiter geht. Nachdem dann die Hallen offiziell als geschlossen galten, suchte ich nach Möglichkeiten und sinnvollen Lösungen.
Vor Corona war bei mir vieles auf den Sport abgestimmt. Feste Tage an denen ich Training gab und auch selbst trainierte sowie die wöchentlichen Punktspiele bestimmten neben dem Polizeialltag meinen Tagesablauf. Seit der Pandemie beziehungsweise den Einschränkungen fiel der Tischtennisteil nach und nach weg und die allererste Lösung war dann die Anschaffung eines Tisches. An Platz im heimischen Anbau fehlte es nicht, sodass ich eines morgens, gemeinsam mit meinem Freund nach Krefeld zum Butterfly Zentrum fuhr, einen Tisch mitnahm und seitdem an meinen Aufschlägen und mithilfe eines Roboters an meinen Basics trainiere. Ab und an duellieren wir beide uns am Tisch, aber wir genießen seit der Pandemie auch einfach mal mehr die Zweisamkeit, die uns während der Saison nicht so sehr gegeben war.
Nichtsdestotrotz geht es mir nicht viel anders als anderen Tischtennisspielern. Der Wunsch wieder unbeschwert in die Halle zu können ist nach wie vor groß und ich sehe optimistisch in die Zukunft, dass man zeitnah, auch wenn es unter strengen Hygiene-Auflagen erfolgt, wieder in der Halle trainieren kann.

Du hast das Tischtennisspielen in Niedersachsen gelernt. In der Saison 2018/2019 führte dein Weg dann in den WTTV. Du bist von der 2. Damen-Bundesliga vom MTV Tostedt zum TuS Bardüttingdorf in die Herren-Verbandsliga gewechselt. Etwas ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Der Kontakt zwischen dem TuS BaWa und mir begann bereits 2014, als ich dort angefangen habe Jugendtraining zu geben. Ich habe mich dort von Anfang an wohl gefühlt, auch wenn ich bis 2018 zunächst nur als Trainerin fungiert habe. Die Atmosphäre ist in der ganzen Abteilung familiär, das Training mit den Jugendlichen gefiel mir von Anfang an, was zuletzt auch meine langjährige Trainerarbeit wiederspiegelt.
Der Kontakt zu den Jungs aus der 1. Herren kam erst ab Sommer 2017 nach und nach ins Rollen. Ich kann noch nicht mal sagen, wieso es erst nach 3 Jahren passierte. Wahrscheinlich, weil niemand von den Jungs vorher im Training erschien(lacht).
Für eine Frau ist mein Spielsystem relativ männlich ausgeprägt. Resultierend daraus, dass ich seit Beginn meiner Tischtennislaufbahn vermehrt mit Jungs trainiert habe. Irgendwann ergab sich zunächst die Möglichkeit, dass Frauen auf Turnieren in der männlichen Konkurrenz mitmischen durften. Diese Chance habe ich natürlich sofort genutzt. Letztendlich habe ich gegen Männer meistens mein bestes Tischtennis abrufen können. Ob es an meinem Spielsystem liegt oder einfach daran, dass ich nichts zu verlieren habe, kann ich nicht beantworten.
In Tostedt habe ich von 2010-2018 unter Vertrag gestanden. Eine Zeit, die ich nicht missen möchte und ein Zeitraum mit vielen guten Erinnerungen, unvergesslichen Erfolgen, aber auch harten Niederlagen, mit denen man gelernt hat, umzugehen. Letztendlich war es am Ende ein Spagat zwischen Beruf und Leistungssport. Ich glaube sogar, dass wir mit Tostedt am Ende einer der wenigen Bundesliga-Clubs waren, bei dem alle Spieler primär berufstätig waren und die Bundesliga als Hobby ausübten. Wer mich kennt, weiß, dass ich eine Sache entweder ganz oder gar nicht ausübe und meistens mit viel Leidenschaft. Am Ende der Saison 2017/2018 ergaben mehrere Faktoren die Entscheidung, der 2. Bundesliga den Rücken zu kehren. Der Beruf als Polizistin lässt es nicht anders zu, als auch am Wochenende, wo viele frei haben, zu arbeiten. In der Bundesliga gab es Auswärtsspiele bis ans untere Ende von Deutschland, die Schweiz oder auch Österreich waren nach der einheitlichen Bundesliga in greifbarer Nähe. Irgendwann hätte es Schwierigkeiten mit meinem Dienstherrn gegeben. Dennoch spielte ein anderer Grund die größte Rolle für meine Entscheidung. Ich wollte einfach mehr Zeit für mich und meine Liebsten haben und gleichzeitig eine neue Herausforderung annehmen.
Der Kontakt mit dem TuS BaWa war nach wie vor sehr familiär, das Training mit den Jungs aus der 1. Herren fand nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mal statt und seit geraumer Zeit durften Frauen nicht nur auf Turnieren in der Herrenkonkurrenz mitwirken, sondern es gab ebenfalls die Möglichkeit, als Frau Mitglied einer Männermannschaft zu werden.
Nachdem ich von Robin Köhne angesprochen wurde, ob ich mir nicht vorstellen könne, Teil der 1. Herrenmannschaft zu werden, musste ich nicht lange überlegen. Ich glaube, so schnell habe ich noch nie auf ein neues Angebot reagiert. Es war quasi alles perfekt für eine neue Herausforderung. Herren-Verbandsliga, heimatnah, keine 2,5 Std Fahrt zu einem Heimspiel, Training mit der eigenen Mannschaft.

Anne mit ihrem Doppelpartner

 

Wie ist die Spielstärke in der Herren-Verbandsliga im Vergleich zur 2. Damen-Bundesliga?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Spielstärke der Verbandsliga deutlich unterschätzt. Bereits in meiner letzten Bundesliga Saison habe ich mir das ein oder andere Ligaspiel der Jungs angeschaut. Allein der physische Unterschied zwischen Männern und Frauen ist gravierend.
In der Saison 2018/2019 hat sich die Verbandsliga nochmals verstärkt, teilweise gab es dort Spieler im oberen Paarkreuz mit einem höherklassigen Niveau. Das habe ich dann auch direkt zu spüren bekommen. Im Vergleich zur Damenkonkurrenz werden bei den Herren leichte Fehler konsequent bestraft. Da interessiert es einem gestanden Mann mal so gar nicht, dass ihm eine Frau gegenübersteht.
Somit erinnere ich mich ganz genau, dass ich meine Premiere in der Verbandsliga mit 0:10 startete. Ich kann nicht mal von mir behaupten, dass ich bis dahin mit meiner Leistung unzufrieden war. Ich kämpfte wie gewöhnlich um jeden verdammten Ball, es hat hier und da für den Entscheidungssatz gereicht. Letztendlich habe ich mich durch die Niederlagen weiterentwickelt. Am Ende verlor ich viele Spiele, weil ich körperlich am Ende war, ich hatte schlicht weg keine Kraft mehr. Dennoch blieb ich geduldig, freute mich auf jedes weitere Match, bis letztendlich der Befreiungsschlag kam und ich am 4.11.2018 mein allererstes Spiel in der Verbandsliga gewann. Ich behaupte, ein wenig stolz gewesen zu sein. Ab dem Zeitpunkt etablierte ich mich in der Liga, gewann mehr Spiele und entwickelte mich spielerisch sowie auch körperlich weiter. Die Spielstärke nach zu beurteilen, schätze ich die Verbandsliga Herren deutlich stärker ein. Allein der Vergleich zwischen NRW und Niedersachsen ist deutlich erkennbar.
In meinem zweiten Jahr in der Verbandsliga konnte ich mich dann endlich dem starken Niveau anpassen und die Mannschaft bis zum Eintritt der Pandemie durch wichtige Siege unterstützen.

Du hast bis zum Abbruch der Saison eine 20:11-Bilanz im oberen Paarkreuz gespielt und hattest damit großen Anteil an eurem Aufstieg. Was habt ihr euch und du dir persönlich vorgenommen, vorausgesetzt, dass die nächste Saison „normal“ starten kann?
Ziel der Mannschaft war von Beginn an der Aufstieg in die NRW Liga. Das wir uns als Mannschaft immensen Druck verschafft haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Das wurde von Spiel zu Spiel auch deutlich spürbar. Nachdem wir dann das Spitzenspiel gegen TuRa Elsen letztendlich überraschend deutlich verloren haben, fiel der Druck meiner Meinung nach ein wenig. Wir haben viel lockerer gespielt, wussten aber wiederum, dass wir in jedem Spiel auch patzen können. Das Szenario ereilte uns entsprechend in der Rückrunde gegen TTU Bad Oeynhausen. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass wir auch gegen den Absteiger zu 80% gutes Tischtennis abgeliefert haben. Nach dem Unentschieden waren wir allesamt natürlich zunächst ein wenig enttäuscht. Obwohl ich an dem Tag eines meiner besten Spiele abgeliefert habe, war die Enttäuschung über mich selbst doch recht groß. Keines der beiden Doppel zu gewinnen macht einen dann doch nachdenklich. Letztendlich war die Enttäuschung schnell verflogen. Auch wenn der Abstand auf den unmittelbaren Verfolger auf drei Punkte gestiegen ist, war rein rechnerisch die Meisterschaft immer noch denkbar. Ob wir auch ohne Covid-19 aufgestiegen wären, kann ich abschließend nicht beurteilen. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe in meiner Tischtennislaufbahn noch nicht einmal eine Relegation gespielt.
Pandemie hin oder her, wir sind als Mannschaft aufgestiegen und ich finde, wir haben uns das redlich verdient. Die gesamte Mannschaft hat sich in der abgelaufenen Saison weitestgehend gut präsentiert. Und was meiner Meinung nach am wichtigsten ist, wir haben als Mannschaft zusammen gehalten und „sau“ viel Spaß gehabt.
Anhand des Aufstieges habe ich allerdings auch feststellen müssen, wie nah Freude und Enttäuschung aneinander liegen. Als Frau bin ich leider für den Spielbetrieb in der NRW-Liga nicht spielberechtigt. Es gab viele Diskussionen mit verschiedensten Verantwortlichen. Auch hier nochmal ein großes Dankeschön an meine gesamte Mannschaft, die sich sehr dafür eingesetzt hat, dass ich eventuell doch die Möglichkeit habe, kommende Saison in der NRW-Liga zu spielen. Letztendlich hat man sich dagegen entschieden. Wie es kommende Saison für mich weiter geht, kann ich abschließend noch nicht sagen. Ich habe zwar das ein oder andere Angebot erhalten, doch letztendlich festgelegt habe ich mich noch nicht. (Anmerkung: Anne ist zurück nach Niedersachsen und ist zum TTK Großburgwedel gewechselt.)
Was ich aber definitiv weiß, ist, dass ich dem TuS BaWa erhalten bleibe, und wenn es nur die Position als passives Mitglied ist. Abgesehen von meiner persönlichen Entscheidung werde ich auch weiterhin das Schüler- und Jugendtraining leiten.

Du bist im Februar in Waltrop zweite der Westdeutschen Einzelmeisterschaften im Damen-Einzel geworden und hast lediglich im Finale gegen Bundesligaspielerin Nadine Bollmeier (Bad Driburg) verloren und dich damit für die Deutschen Meisterschaften Anfang März in Chemnitz qualifiziert.
Wie oft trainierst du noch in der Woche, um dieses hohe Niveau spielen zu können?
Ja genau, nachdem ich letztes Jahr den Titel mit nach Hause nehmen konnte, musste ich mich dieses Jahr Nadine Bollmeier geschlagen geben. Die Niederlage geht völlig in Ordnung, obwohl ich zumindest den ein oder anderen Satz hätte gewinnen wollen. Das ich im Halbfinale gegen ihre Teamkollegin (Yuki Tsutsui) gewinne, hätte ich im Vorfeld nicht für möglich gehalten.
Das Teilnehmerfeld war dieses Jahr nochmals stärker als das letztjährige Feld. Ich muss gestehen, dass ich tiefenentspannt in das Turnier gestartet bin und mir zuvor selbst wenig Druck verschafft habe.
Im WTTV waren es dieses Jahr die zweiten Meisterschaften und im Vergleich zum TTVN eine gewaltige Masse an Zuschauern. Letztendlich war das auch eventuell mein Geheimrezept. Ich wollte einfach Spaß beim Spielen haben und den Zuschauern gutes Tischtennis zeigen. Ich glaube, dass ist mir am Ende auch gelungen.
Die einzige Befürchtung, die ich zu Beginn hatte, war die Umstellung von Herrentischtennis auf Frauentischtennis. Doch von Runde zu Runde fuchste ich mich mehr und mehr rein.
Was die Vorbereitung betrifft beziehungsweise mein Trainingspensum, ich trainiere einmal die Woche mit meiner Mannschaft ausgiebig. Der Rest ist anscheinend noch tief im Inneren meines Körpers verwurzelt (lacht). Das Einzige, was ich vor den Meisterschaften getan habe, ist, dass ich mir Videos von einzelnen Spielern angeschaut habe. Das war es aber auch. Ansonsten reicht eine Menge Spaß am Tisch.

Platz zwei bei den Westdeutschen Einzelmeisterschaften 2020 in Waltrop

 

Musst du dich am Anfang eines Turniers immer erst wieder an das Damentischtennis gewöhnen?
Es hält sich in Grenzen. Ich habe in der abgelaufenen Saison nur die Westdeutschen Meisterschaften in der Damenkonkurrenz gespielt. Den Rest der Saison, sprich die Meisterschaftsspiele und diverse Turniere, habe ich gegen Männer bestritten.
Ich muss aber dazu sagen, dass mir die Umstellung der ersten Saison (2018/2019), die ich in der Verbandsliga Herren bestritten habe, schwer fiel. Das habe ich dann direkt im Halbfinale der WTTV Endrangliste zu spüren bekommen, indem ich gegen die spätere Siegerin 1:3 verlor.

Was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen dem Herren- und Damentischtennis?
Wie bereits zu Beginn des Interviews erläutert, ist der physische Unterschied zwischen Männer und Frauen sehr groß. Als Mann hast du weitestgehend mehr Druck in diversen Schlägen, zögerst nicht bei halblangen oder gar langen Bällen und lange Aufschläge, wie sie oftmals bei Frauen gespielt werden, kommen so gut wie gar nicht vor. Körperlich bedingt hast du als Mann einfach mehr Kraft und Kondition. Das war auch bei mir zu Beginn der ersten Saison meistens der ausschlaggebende Punkt, wieso ich verlor.

 

Wie schätzt du die Entwicklung im Damentischtennis ein und den weiblichen Nachwuchs im WTTV und in Deutschland?
Bereits zum Ende der Saison 2018, als ich mich aus der 2. Bundesliga zurückzog, konnte man nachvollziehen, dass die 1. Bundesliga Damen für viele Vereine nicht mehr attraktiv genug war und man sich letzten Endes gegen einen Aufstieg entschied. Das wurde dann durch die Anzahl der Mannschaften im Vergleich 1. und 2. Bundesliga sichtbar. Während die 1. Bundesliga Damen mit, ich glaube es waren 7 Mannschaften, gefüllt waren, konnten in der 2. Bundesliga Damen 10 oder 11 Mannschaften ihren Platz finden. Und so wie ich das wahrnehme, hat sich diese Bilanz bis heute nicht geändert. Woran es letztendlich liegt, kann ich nicht beurteilen. Aber genau dieses Problem der „Mangelware“ war am Ende, meiner Meinung nach, mitentscheidend, wieso man sich gegen die Spielberechtigung der Damen in der NRW Liga entschied. Ich bin mir dessen bewusst, dass man irgendwo eine Grenze setzen muss, aber ob es gerade die NRW-Liga sein muss, ist für mich persönlich sehr fraglich. Meiner Meinung nach geht der Trend des Damentischtennis immer mehr zurück. Woran es liegt, weiß ich nicht.

Wann hast du mit dem Tischtennis-Sport angefangen und wie bist du überhaupt dazu gekommen?
Ich glaube, ich war 5 oder 6 Jahre, da musste ich gezwungenermaßen mit meinem Bruder in die Sporthalle. Meine Eltern haben sich früh getrennt, meine Mutter voll berufstätig, da blieb mir anscheinend nicht viel übrig, als mit meinem Bruder mitzugehen. Ich habe dann in meinem Heimatverein (TV Wellingholzhausen) unter der Regie von Rolf Jürgens auf der Haar, Freude am kleinen, damals noch Zelluloidball, gefunden und spielte rasch in meiner ersten Mädchenmannschaft.
Spaß am Ballsport hatte ich anscheinend schon von klein auf, denn damals habe ich noch parallel Fußball gespielt. Irgendwann wurde aber der Spagat zwischen Tischtennis und Fußball zu groß, sodass ich mich für eine Sportart entscheiden musste. Ich glaube, letztendlich war es die richtige Entscheidung. Mit circa 11 Jahren wechselte ich dann zum Nachbarverein SV Oldendorf. Dort stand die Jugendförderung im Fokus und es bestand eine Kooperation mit dem LSB Niedersachsen. Nach den ein oder anderen Erfolgen auf Bezirks- und Landesebene wurde ich in den Landeskader berufen und trainierte unter der Aufsicht von Christiane Praedel. Letztere war selbst erfolgreiche Spielerin, Deutsche Meisterin, Nationalspielerin usw. Dieser Person habe ich am meisten zu verdanken. Denn Christiane Praedel hat mich zu dem Menschen und zu der Spielerin gemacht, die ich heute bin. Dank ihr habe ich diesen großen Ehrgeiz und sämtliche Ziele und Erfolge in meinem Leben erreicht. Somit entstand auch der gemeinsame Weg durch die 2. Bundesliga Damen, den ich erstmalig 2004 mit dem TuS Glane eingeschlagen habe. Nicht zu vergessen, Christiane und ich waren eines der stärksten Doppel.
Nach mehreren Jahren kam dann das finanzielle Aus beim TuS Glane und ich musste Ausschau nach einem neuen Verein halten. Nach einjährigem Aufenthalt beim TSV Steinbergen wurde ich 2010 herzlich beim MTV Tostedt aufgenommen. Hier bestritt ich dann bis 2018 diverse Ligaspiele in der 1. und 2. Bundesliga.
Mein Bruder Sebastian hatte übrigens nach seiner ersten Niederlage gegen mich, den Schläger an den Nagel gehängt. Doch im letzten Jahr, sprich 2019 und circa 20 Jahre später konnte ich ihn wieder begeistern, sodass uns quasi ein deja vu ereilte. Doch dieses Mal nahm ich ihn mit.

Was waren deine größten Erfolge?
In jüngster Vergangenheit zähle ich den zweiten Platz bei den Westdeutschen Meisterschaften in Waltrop zu meinen größten Erfolgen. Angeknüpft daran automatisch den Titel der Westdeutschen Meisterschaften 2019 in Ochtrup. In meiner Jugend gehörte die Zugehörigkeit in der Jugend Nationalmannschaft sowie diverse Titel auf Landes- und Bundesebene zu meinen größten Erfolgen.

Ganz oben auf dem Treppchen bei den Westdeutschen Meisterschaften 2019 in Ochtrup

 

Gibt es jemanden, der dich in dieser Zeit besonders geprägt hat?
Wie bereits erwähnt, hat mich eine Person während meiner gesamten Tischtennis Laufbahn geprägt. Ich glaube Christiane Praedel habe ich viel zu verdanken und sie hat großen Anteil an meinem bisherigen Werdegang. Ohne sie, wäre ich nicht, aus sportlicher Sicht betrachtet, zu dem Menschen geworden, der ich heute bin. Ihr habe ich es zu verdanken, sich Ziele zu setzen und diese bis zum Schluss zu verfolgen. Christiane Praedel hat mich während meiner gesamten Zeit des Leistungssports begleitet und sie hat auch so einiges mit mir durchmachen müssen. Denn auch ich war nicht immer einfach. Sie hat mich nie aufgegeben und auch über die Jugendzeit hinaus mit mir gemeinsam an vielen Dingen gearbeitet.
Nichtsdestotrotz darf ich einen wichtigen Faktor nicht vergessen, der mich in dieser Zeit besonders geprägt hat. Und zwar meine Familie. Es war für mich nie selbstverständlich, dass jeder Einzelne aus meiner Familie immer hinter mir stand und das ganz besonders meine Mama mich zu fast jedem Turnier begleitet und unterstützt hat. Das hat mir bis zum Schluss sehr viel bedeutet, auch wenn meine Mutter im Vergleich zu mir auf den Turnieren meistens aufgeregter war als ich. An dieser Stelle nochmals ein Riesen Dankeschön an meine Mama.
Letztendlich hat mich mein Freund in den letzten zwei Jahren Verbandsliga ebenso geprägt. Er hatte sehr viel Geduld mit mir und war sozusagen der Ruhepol in der ein oder anderen brenzligen Situation.

Was fasziniert dich an unserer Sportart?
Am meisten fasziniert mich an unserem Sport die Vielfältigkeit. Wenn ich gefragt werde, beschreibe ich Tischtennis immer als einen Mix aus einem 100m Sprint und einer Partie Schach. Tischtennis wird als schnellste Rückschlagsportart der Welt bezeichnet. Du musst immer auf der Lauer sein und du selbst kannst soviel mit der weißen Kugel anstellen. Deswegen reagiere ich immer sehr allergisch, wenn ein „Außenseiter“ Tischtennis als Standsport oder Breitensport bezeichnet. Jeder Gegner ist spielerisch anders aufgestellt, jedes Match verläuft anders. Vergleichbar mit meinem Job. Der Polizeialltag verläuft auch jeden Tag verschieden. Vielleicht habe ich genau deswegen soviel Spaß an beidem.

Du bist in deinem Verein auch Trainerin für den Nachwuchs. Was möchtest du den jungen Spielern gerne vermitteln?
Ja richtig, seit 2014 leite ich gemeinsam mit einem weiteren Trainer aus der Abteilung das Training der Schüler und Jugend. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich mit 4-6 „Kiddies“ begonnen habe. Da dachte ich mir, dass kann doch nicht sein, dass niemand Interesse an so einer faszinierenden Sportart hat. Aber das änderte sich Gott sei Dank im Laufe der Zeit. Aktuell habe ich ca. 20 Schüler und Jugendliche in meiner Trainingsgruppe, verteilt auf zwei Trainingstage und einem weiteren Training in der Woche. Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann mal so einen Spaß an der Sache entwickele. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich am liebsten immer selbst trainiere.
Mir persönlich liegt viel daran, dass die Jungs Spaß an der Bewegung finden. Ich finde es erschreckend, wie viele Kinder heutzutage zuhause vor dem TV hocken und nicht in Bewegung sind. Deswegen freue ich mich primär über jede Teilnahme der Jungs am Training. Insgesamt möchte ich Spaß vermitteln, der Rest kommt von allein. Jeder Einzelne von den Jungs verfolgt individuelle Ziele. Manche möchten sich verbessern, erfolgreich werden, andere schätzen mehr die Zeit, die sie mit ihren Freunden beim Training verbringen. Somit unterstütze ich Jeden, unabhängig von deren Zielen.

Welche sportlichen Ziele verfolgst du in der kommenden Saison?
Der persönlichen Situation nach zu beurteilen, wäre momentan mein größtes Ziel die verantwortlichen Sportausschüsse davon zu überzeugen, dass eine Frau spielberechtigt für die NRW Liga Herren wird.
Nein Spaß beiseite. Ich bin nicht so der Typ von Spieler, der sich zum Ende bzw. zu Beginn einer Saison persönliche Ziele steckt. Damit bin ich in meiner Jugendzeit das ein oder andere Mal nicht so glücklich geworden. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich meine sportlichen Ansprüche aufgrund meiner Bilanz ein wenig erhöht haben. Ich gehe mit mir selbst immer sehr kritisch um, viele sagen, dass ich sehr streng zu mir selbst bin. Könnte was dran sein.
Primäres Ziel wird sicherlich wie gewohnt sein, weiterhin soviel Spaß am Sport zu haben. Je nachdem in welche Liga es mich verschlagen wird, würde ich mir wünschen, auch in der kommenden Saison wieder großen Anteil an möglich Siegen zu haben. Und wer weiß, vielleicht entwickle ich mich auch in der kommenden Saison nochmal spielerisch und hole den ein oder anderen Titel nach Hause.

Anne, vielen Dank für das tolle Interview!

 

Steckbrief

Name: Anne Sewöster
Alter: 32 Jahre
Beruf: Polizeikomissarin
Verein: Tus Bardüttingdorf
Liga: Verbandsliga Herren NRW
Hobbys: Mountainbiken, Freeletics, Zeit mit den Liebsten verbringen
Vorbilder: Für mich gibt es nicht dieses eine Vorbild. Mich faszinieren diverse Sportler aus verschiedensten Bereichen. Eine Mischung aus allem bezeichne ich somit als mein Vorbild.
Größten Erfolge: Westdeutsche Meisterin (Damen) 2019 Westdeutsche Vizemeisterin (Damen) 2020 2. Platz mit der Mannschaft (TuS BaWa) in der Verbandsliga Herren und somit der Aufstieg in die NRW-Liga Herren
Ziele: Die Berechtigung erhalten als Frau höher als Verbandsliga Herren spielen zu dürfen
Material: Holz Timo Boll Spirit, Belag 2x Butterfly Tenergy 05, 2.1mm (schwarz/rot)

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