Olympia im Zeichen der Pandemie
Anja Gersdorf wird als Schiedsrichterin zu den Olympischen Spielen nach Tokio reisen. Sie ist seit langer Zeit eine Größe im nationalen und internationalen Schiedsrichter-Team. Ob bei Weltmeisterschaften, den German Open, in der Champions League, den NDM oder in der Bundesliga, sie ist oftmals im Einsatz und stahlt durch ihre Ruhe und Kompetenz alles das aus, was man als Referee am Tisch benötigt. Der Lohn für ihren Einsatz wurde nun mit der Einladung zu den Olympischen Spielen gekrönt.
Jörg Fuhrmann sprach mit Anja Gersdorf über dieses besondere Ereignis.
Anja, was glaubst du wird dich bei den Spielen erwarten?
Viel Sport und sonst nichts. Kein Sightseeing, keine anderen Sportarten. Ich werde viel Tischtennis sehen (lächelt).
Wie gehst du damit um?
Eigentlich ganz gut. Man stellt sich zwar etwas anders vor, wenn man sich für Olympia bewirbt und nominiert wird, aber vor Ort genießen wir den Sport.
Weißt du, wie der Ablauf in Tokio aussehen wird?
Wir sehen die Halle, das Hotel und den designierten Transportservice und ansonsten nichts.
Wird es dir komisch vorkommen, wenn die Spiele in einer großen Halle ohne Zuschauer stattfinden werden. Gerade in einem Land wie Japan, indem Tischtennis einen hohen Stellenwert hat?
Nein, komisch nicht. Das kennen wir ja bereits seit eineinhalb Jahren. Ich habe ja auch die Champions League in Düsseldorf geschiedst, auch in der Bubble und auch ohne Zuschauer. Das war ganz ähnlich, nur die Halle war nicht ganz so groß.
Stimmt, da haben wir uns ja gesehen.
Genau. Daher bin ich das ja schon fast gewohnt. Jedoch habe ich heute darüber nachgedacht, wie schön das doch wäre, wenn nach einem richtig tollen Punkt von rechts und links etwas zu hören wäre. Das ist auch für die Schiedsrichter schön, und nicht nur für die Sportler.
Worauf freust du dich am meisten bei den Olympischen Spielen?
Auf den Sport, was anderes haben wir ja nicht. Es ist auch eine tolle Gelegenheit, Schiedsrichterkollegen aus aller Welt wiederzusehen. Gerade die Asiaten sieht man nicht so häufig, das wir bestimmt ganz nett. Wobei wir auch da gehalten sind, uns nicht näher als zwei Meter anzunähern und die geselligen Abende, die wir sonst so hatten, werden diesmal wohl nicht so ganz gesellig ausfallen (grinst). Ich kann mir das noch gar nicht so richtig vorstellen und lass mich einfach einmal überraschen.
Was wirst du in der Ferne vermissen?
Ach, weiß nicht. Wird jetzt erwartet, dass ich sage, meine Familie (lächelt)? Ich werde da zwei Wochen meine Ruhe haben, das habe ich mir in der letzten Zeit häufig gewünscht. So viel Ruhe ist vielleicht ein bisschen viel, aber das passt schon. Ich nehme Bücher mit und konzentriere mich auf Tischtennis.
Was nimmst du aus der Heimat mit in die Ferne nach Tokio?
Ich werde von jedem Kind ein Kuscheltier mitnehmen müssen. Ansonsten eine Menge Bücher und wir Schiedsrichter haben uns überlegt, dass jeder etwas zu essen aus seiner Heimat mitbringen wird, also werde ich wahrscheinlich Gummibärchen importieren und mit den Kollegen/innen einen kulturellen Austausch pflegen. Trotz allem!
Was wäre der olympische Traum für dich bei den Spielen als Schiedsrichterin?
Dabeisein ist alles. Da gilt genauso für den Schiedsrichter als auch für die Sportler das olympische Prinzip. Wenn du auf das Finale hinauswillst. Ich bin jetzt 28 Jahre Schiedsrichterin, wäre schön, aber ich bin nicht so, dass ich darauf hin fiebere und dann völlig enttäuscht wäre, wenn es nicht klappt. Also, das ist nicht so mein Gedanke.
Anmerkung
Zum Schluss sagte sie voller Stolz, dass es ihre olympischen Spiele sein.
Wir danken Anja für das tolle Interview und wünschen ihr trotz der Umstände einen unvergesslichen Aufenthalt in Tokio mit vielen schönen Momenten. Sie wird ganz bestimmt für den deutschen Tischtennisbund und alle Schiedsrichter/innen Deutschland bestens vertreten. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie ja doch bei einem Endspiel in der Box.
(Test und Fotos: Jörg Fuhrmann)