Tag 3 – Finaltag

Am letzten Tag der 90. Nationalen Deutschen Meisterschaften findet eine Konzentration auf die Halbfinal- und Finalspiele statt. Die meisten Teilnehmer / innen sind also bereits ausgeschieden und zum Zuschauen verurteilt. Der Begriff ist hier wörtlich zu verstehen. Die Rolle als Zuschauer ist für viele Aktive mehr Strafe als Belohnung. Viele sind deshalb bereits abgereist, wofür man allerdings ein gewisses Verständnis aufbringen sollte. Wer jahrelang nahezu täglich mit Tischtennis zu tun hat, mehrmals in der Woche trainiert, Meisterschaftsspiele und Turniere hundertfach absolviert hat, der ist ab irgendeinem Zeitpunkt froh, einmal etwas anderes machen zu können. Selbst Deutsche Meisterschaften bilden dann keine Ausnahme.

Der WTTV hat glücklicherweise noch einige Vertreter im Rennen. Zumindest bei den Herren bestehen sowohl im Einzel als auch im Doppel Titel-Chancen. Von den Damen ist niemand mehr dabei. Das ist wenig überraschend, denn die Teilnehmerinnen sind extrem jung und kamen von Anfang an für die Medaillenränge nicht infrage. Grund hierfür ist weniger das Fehlen von Nadine Sillus und Anne Sewöster. Die beiden Erstplatzierten der Westdeutschen Meisterschaften hatten kurzfristig ihre Teilnahme absagen mussten. Entscheidend ist vielmehr in erster Linie, dass aktuell im Bereich des WTTV keine einzige Erstliga-Mannschaft angesiedelt ist. Die besten Spielerinnen sind also gezwungen, wenn sie in der höchsten deutschen Spielklasse antreten wollen, den Verband zu wechseln. Prominentestes Beispiel ist Nina Mittelham, die im WTTV groß geworden ist, mehrere Jahre beim TuS Bad Driburg Bundesliga gespielt hat und dann nach Berlin wechselte, als ihr Verein sein Erstliga-Team auflöste.

Bei den Herren ist die Lage eine vollkommen andere. Hier spielen zwei Vereine – nämlich Borussia Düsseldorf und TTC Schwalbe Bergneustadt – in der TTBL. Konsequenz ist, dass bei den Nationalen Meisterschaften deren Akteure vorne mit dabei sind, sofern sie denn tatsächlich antreten. Da Dang Qiu und Benedikt Duda gerne teilnehmen, hat der WTTV beste Chance auf Edelmetall.

Aber immer wieder geschieht es, dass die 2. Garde überraschend auf sich aufmerksam macht. Und das ist auch diesmal der Fall. Neben Florian Bluhm im Einzel und Mixed spielen sich mit Gerrit Engemann und Kirill Fadeev – zwei weiteren Zweitliga-Akteuren – im Doppel in das Halbfinale.

Engemann/Fadeev treffen dort auf Meissner/Oehme – ebenfalls eine Zweitligapaarung. Ein Favorit ist im Vorfeld nicht auszumachen. Und der Spielverlauf bestätigt das. 2:2 heißt es nach vier Sätzen. Alles ist offen. Sehr stark spielt der sichtlich gereifte Gerrit Engemann, etwas wechselhaft Kirill Fadeev. Doch im Entscheidungssatz können beide ihre beste Leistung abrufen. Engemann nimmt das Heft in die Hand und Fadeev folgt ihm nun auch leistungsmäßig. Relativ deutlich gewinnen sie mit 11:6 und stehen damit im Finale. Für beide sicherlich der größte Erfolg ihrer bisherigen Tischtennis-Karriere.

Im anderen Halbfinale machen die Abonnementsmeister Duda/Qiu mit Danzer/Hollo, beides noch U18-Spieler, kurzen Prozess. Nach einem ungefährdeten 11:9, 11:2, 11:8 erreichen sie das Endspiel. Und hier zeigen sie deutlich, wer im deutschen Herren-Doppel das Sagen hat. Zu keinem Zeitpunkt lassen sie Engemann/Fadeev ins Spiel kommen. Das Zweitliga-Duo erhält eine Lehrstunde von einem der weltweit besten Doppel. Nach 11:4, 11:4, 11:8 gratulieren sie – sichtlich beeindruckt – den nun fünfmaligen Deutschen Meistern.

Duda/Qiu vs. Fadeev/Engemann

Auf das Herren-Einzel freuen sich die Zuschauer ganz besonders. Abwehrass Florian Bluhm, die Sensation der Titelkämpfe, trifft auf den Deutschen Meister Benedikt Duda. Bluhm werden im Vorfeld keine Chancen eingeräumt. Zu sicher spielt Duda gegen Abwehr, zu hart, zu schnell, zu routiniert. Deutschlands bester Verteidiger Ruwen Filus weiß ein Lied davon zu singen. Doch Bluhm ist in der Form seines Lebens. Bis in die Haarspitzen motiviert, von Beginn an hochkonzentriert, holt er sich den ersten Satz mit 12:10. Spektakuläre Abwehrbälle und mutiges Gegenspiel lassen Duda nicht so richtig ins Spiel kommen. Das gelingt ihm dann aber in den folgenden drei Sätzen. Duda zeigt, dass er wirklich ein Abwehr“killer“ ist. 11:7, 11:6, 11:6 – die Überlegenheit drückt sich auch in den Satzergebnissen aus. Doch als Duda in Satz 5 ein wenig nachlässt, ist Bluhm wieder da. Recht deutlich mit 11:7 gewinnt er den Durchgang, die Halle steht Kopf. Kann er wieder – wie gegen Meng – das Spiel drehen? Doch in diesem Moment zeigt Duda, dass er zur erweiterten Weltspitze zu zählen ist. Er findet zu seinem Erfolgsrezept zurück, spielt wieder konsequenter nach vorne und lässt Bluhm nicht mehr sein Spiel finden. Nach einem 11:5 zieht er in das Finale ein und hat gemeinsam mit Bluhm das vielleicht beste Spiel des Turniers gezeigt.

 

Der Sieger zollt Respekt

Im anderen Halbfinale gewinnt die Nr. 10 der Weltrangliste Dang Qiu sicher mit 4:1 gegen Altmeister Steffen Mengel. Das Finale ist dann weniger spannend als erhofft. Qiu ist derzeit in der Form seines Lebens. Erst vor kurzem hat er das WTT-Turnier in Lima gegen keinen Geringeren als Dimitrij Ovtcharov gewonnen. Und diese Form zeigt Qiu auch im Spiel gegen seinen Freund und Doppelpartner Duda. Mit 4:1 gewinnt er souverän das Finale und holt sich seinen ersten Deutschen Meistertitel im Einzel.

Auf der Rückfahrt nach Duisburg bleibt Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Cheftrainer Stephan Schulte-Kellinghaus ist rundum zufrieden (Hier seine Einschätzungen bei WTTV-Inside https://www.youtube.com/watch?v=8TdElvmde2Q) : „Die Profis haben die erwarteten Titel geholt. Aber auch die übrigen Spieler/innen haben Leistungen auf höchstem Niveau gezeigt. Hervorzuheben sind natürlich die beiden 3. Plätze von Florian Bluhm im Einzel und im Mixed, sowie die Silbermedaille im Doppel von Engemann/Fadeev. Aber auch die Siege von Hannah Schönau im Doppel und Mixed gegen höher eingeschätzte Gegnerinnen muss man herausheben. Von unserem 15-jährigen Nesthäkchen Luisa Düchting erhoffe ich mir für die Zukunft noch deutlich mehr. Es hat insgesamt wirklich viel Spaß gemacht. Drei tolle Tage sind leider viel zu schnell wieder vorbei.“

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

 

 

 

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