Sonntag, 10 Uhr – Die Westdeutschen steuern auf ihre finalen Runden zu. Begonnen wird mit den Viertelfinalspielen der Damen. Hier trifft die 13-jährige Überraschungssiegerin des Vortages Rhea Zhu Chen auf die Zweitliga-Spielerin Nadine Sillus. Und Chen fängt da an, wo sie gestern aufgehört hat. Nach zwei klaren Sätzen (11:6 und 11:8) beginnen die ersten Zuschauer an eine weitere Überraschung zu glauben. Doch Sillus zeigt, wie man sich mit Erfahrung und Spielwitz aus einer solchen Situation befreien kann. Etwas aggressiver, etwas dichter am Tisch, etwas mehr Spin und sie hat das Spiel urplötzlich im Griff. 11:7, 11:5, 11:5 und 11:4 heißt es am Ende für die Uentroperin. Trotzdem muss man Chen zu ihrer Leistung gratulieren. Im Konzert der Großen hat sie an diesem Wochenende eine erste gute Rolle gespielt.
In den anderen Spielen setzen sich die Favoritinnen recht deutlich durch. Michajlova, Kalaitzidou und Hannah Schönau, die ihren 21. Geburtstag in der Dreifachturnhalle Rees feiern darf, siegen souverän.
Bei den Herren machten die „Jungen Wilden“ Ernst. Bertelsmeier, Verdonschot und Fadeev überspielen jeweils mit 4:0 Sätzen ihre Gegner. Knapp wird es dagegen in der Begegnung Servaty gegen Slanina. Servaty, der am Vortag noch glänzendes Tischtennis zeigte, hat in der Nacht nicht ausreichend regenerieren können. Sichtlich angeschlagen muss er Slanina lange Zeit das Spiel überlassen. Doch in dem Moment, als man den 30-jährigen Velberter schon abschreiben will, kommt er zurück. Angestachelt durch zwei in seinen Augen falsche Schiedsrichterentscheidungen (Zeitverzögerung, falscher Aufschlag) kämpft er sich in die Verlängerung des Entscheidungssatzes. Matchbälle auf beiden Seiten, bis dann Servaty zum 15:13 die Nase endgültig vorn und das Halbfinale erreicht hat.
Spektakuläres Tischtennis bieten im Halbfinale Bertelsmeier und Verdonschot. In einem hart umkämpften Spiel kann sich unter dem tosenden Beifall der Zuschauer letzten Endes Bertelsmeier mit 4:3 durchsetzen. Fadeev macht im anderen Halbfinale dem Leiden von Servaty ein Ende. Der Velberter geht noch einmal an seine körperlichen Grenzen, doch Fadeev siegt letzten Endes verdient mit 4:2. Humpelnd und etwas niedergeschlagen verlässt Servaty die Halle.
Im Finale des Damen-Doppels stehen sich Michajlova/Sewöster und – etwas überraschend – Schönau/Tschunichin gegenüber. Tschunichin ist erst zu Saisonbeginn aus Kassel zum 1. TTC Münster gewechselt, wo sie in der Herren-Landesligamannschaft zum Einsatz kommt. Mit einem TTR-Wert von 1766 liegt sie 150-200 Punkte hinter den übrigen Finalistinnen. Eher zufällig hat sie sich mit Hannah Schönau, deren Schwester und übliche Doppelpartnerin an den Westdeutschen nicht teilnimmt, zusammengefunden. Doch das Doppel kennt seine eigenen Gesetze. Die Rechts-/Links-Kombination agiert deutlich harmonischer als ihre Gegnerinnen und kann deren individuelle Vorteile dadurch mehr als ausgleichen. Zwar gewinnen die Topgesetzten den ersten Satz noch knapp, doch dann geht es ganz schnell. Am Ende siegen die Außenseiter mit 3:1. Hannah Schönau macht sich selbst ein schönes Geburtstagsgeschenk.
Bei den Herren treffen die großen Favoriten Bertelsmeier/Fadeev auf die klaren Außenseiter Pellny/Oudriss. Und sie machten von Beginn an Ernst. Das Ergebnis von 11:7, 11:5 und 11:7 bringt ihre Überlegenheit deutlich zum Ausdruck. Auch bei den Herren siegt damit kein eingespieltes Doppel. Die neuen Titelträger fanden erst am Vortag zusammen. Fadeev war ohne Doppelpartner angereist, Bertelsmeier wollte eigentlich mit seinem erkrankten Mannschaftskollegen Hippler spielen. Doch als klar war, dass sie gemeinsam antreten würden, waren sie sich sofort sehr sicher: „Wie waren wegen unserer TTR-Werte an 1 gesetzt und das wollten wir auch bestätigen. Glück gehabt, dass wir beide ohne Partner dastanden.“
Im Damen-Einzel treffen Kalaitzidou und Michajlova aufeinander. Im Vorjahr hatte die 16-jährige Düsseldorferin sich etwas überraschend im Halbfinale gegen Michajlova durchsetzen können, bevor sie dann sogar das Finale gewann. Diesmal ist eine klare Favoritin nicht auszumachen. Doch zunächst sieht es so aus, als würde die Titelverteidigerin souverän durchmarschieren. Fast spielerisch gewinnt sie die ersten beiden Sätze und als Außenstehender hat man wenig Ideen, wie Michajlova noch einmal zurückkommen kann. Doch die ehemalige Erstligaspielerin wird im Laufe des Spiels immer sicherer, blockt aggressiver und Kalaitzidou verliert den Faden. Schnell steht es 2:2. Die Partie ist wieder offen. Nachdem ein weiterer Satz verloren geht, beginnt Kalaitzidou wieder etwas mutiger zu spielen und kann den sicheren Block ihrer Gegnerin ein ums andere Mal zu durchbrechen. Trotz einiger leichterer Fehler gelingt es ich, den Satz in der Verlängerung zu gewinnen. 3:3! Der Entscheidungssatz ist hart umkämpft. Dann 8:10, 10:10 – und 10:12 für Michajlova. Viel knapper geht es nicht.
Bei den Herren stehen sich die Doppelsieger Fadeev und Bertelsmeier gegenüber – beides Spieler mit ähnlicher Spielanlage. Vorhand-orientiertes Angriffsspiel, Topspin-Duelle aus der Halbdistanz. Auch in diesem Spiel wogt das Geschehen hin und her. Fadeev gelingt es einen 1:3-Rückstand auszugleichen. Mit 12:10 und 13:11 entscheidet er die beiden Sätze denkbar knapp für sich. Und so geht es auch hier in den Entscheidungssatz. Doch die Aufholjagd scheint zu viel Kraft gekostet zu haben. Fadeev kann am Ende eines harten Turniertages dem druckvollen Spiel Bertelsmeiers nichts mehr entgegensetzen. Letzten Endes verdient setzt sich dieser mit 11:4 durch. Der 18-jährige Jugendnationalspieler des 1. FC Köln, sein Finalgegner Fadeev und auch Halbfinalist Verdonschot könnten mit ihren Platzierungen eine neue Ära eingeläutet haben. Von den Altgedienten war nur noch Servaty dabei. Aber Bottroff, Helbing, Wehking, Walther usw., die viele Jahre das Geschehen der Westdeutschen bestimmt haben, scheinen abgelöst zu sein.
Am Ende der beiden Turniertage zog WTTV-Präsident Joosten, dessen Heimatverein das Turnier aus Anlass des 75-jährigen Vereinsjubiläums ausgerichtet hatte, ein überaus zufriedenes Fazit: „Das waren tolle Westdeutsche Meisterschaften. Nahezu alles hat perfekt geklappt. Ich bedanke mich bei den vielen Helferinnen und Helfern, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich ist. Den Zuschauern wurde großartiger Sport geboten. Gewünscht hätte ich mir nur den einen oder anderen Star aus der Bundesliga. Über ein paar weitere Zuschauer aus den umliegenden Vereinen hätte ich mich auch gefreut. Diese Meisterschaften sind es wert.“
Nominiert für die Nationalen Deutschen Meisterschaften, die vom 13.-16. Juni in Erfurt stattfinden, haben sich:
Damen: Michajlova, Kalaitzidou, Schönau, Sillus und mit dem höchsten TTR-Wert der übrigen Viertelfinalisten Wan
Herren: Bertelsmeier, Fadeev, Verdonschot, Servaty und Pellny
Hinzu kommen die vom DTTB nominierten TTBL-Spieler.